Laura Karasinski / FAQ Bregenzerwald

Die Karasinski-Formel

Sie ist jung, erfolgreich im Übermaß und dabei entspannt und „real“: Was ist ihr Geheimnis? Ein Versuch, die Erfolgsformel von Art Directrice Laura Karasinski zu entschlüsseln.

2016 war sie auf dem Cover der Österreich-Ausgabe des Forbes, das jährlich die 30 erfolgreichsten Menschen unter 30 auswählt. 2015 hat das Magazin Look sie zur „Woman of the Year“ in der Kategorie Newcomer gekürt. Gemeinsam mit ihrem Team aus VideoproduzentInnen, FotokünstlerInnen u.a. arbeitet die Magistra der schönen Künste für Kunden wie Yves Saint Laurent, Campari oder Ströck Brot. Ihr Portfolio umfasst Logos, Image-Filme, Interior Design und alles, was sich sonst noch gestalten lässt. „Ich will mich nicht festlegen“, sagt sie. Vor ein paar Monaten stand sie auf einer Wiener TED Talk-Bühne und sprach über ihre Hochsensibilität. Mit 21 Jahren – noch mitten im Studium an der Universität für Angewandte Kunst in Wien – gründete sie das Atelier Karasinski. Um Aufträge ausführen zu dürfen brauchte sie einen Gewerbeschein. Sie besorgte sich gleich zwei: den für Werbung und den für Fotografie. 2016 schließt sie das Studium - wie schon die Matura, mit der es erst im zweiten Anlauf geklappt hatte - mit „Ach und Krach“ ab. Starr geregelte Systeme wie Schule oder 9 to 5-Jobs scheinen nicht ihres zu sein. Freiräume, in denen sich das Laura-Feuer in etwas anderes verwandeln kann, hingegen schon.

Default-Mode: Selbstständig.
„Ich bin in einem Haushalt mit beruflich selbstständigen Menschen aufgewachsen. Das Selbstständig-Sein war für mich von Anfang an normal.“ sagt Laura. Mit 15 stellt sie die ersten beruflichen Weichen und schreibt Agenturen und Fotografen an. „Am Anfang wollte niemand mit mir arbeiten, und mir wurde klar: Ich muss mir all das, was ich können will, selber beibringen.“ Sie lernt in Eigenregie den Umgang mit Photoshop und anderen Design-Programmen. „Wenn du einmal anfängst, Autonomie aufzubauen, fällt es dir schwer, damit aufzuhören.“ so Laura. Das autodidaktische Lernen macht ihr Spaß – und bringt erste Früchte. Als „Housemädchen“ baut sie sukzessive eine Online-Community auf, weil sie schon damals versteht, wie Social Networks funktionieren. Sie hat ein Gespür für das Schöne, und das gefällt auch anderen. Instinktiv tut sie das, was ihr Spaß macht. „Ich bin mit naivem Leichtsinn - gepaart mit jugendlichem Wahnsinn - an die Dinge herangegangen. Aber ich habe immer auf mein Bauchgefühl gehört. Und das war gut so.“  Anfangs muss Laura noch dafür kämpfen, ernst genommen zu werden. „Ich habe die letzten zehn Jahre damit verbracht, älter sein zu wollen. Jetzt wünschte ich, ich könnte mal auf Pause drücken, weil die Zeit so schnell vergeht“, sagt die 27-Jährige. 

„Ich bin mit naivem Leichtsinn - gepaart mit jugendlichem Wahnsinn - an die Dinge herangegangen. Aber ich habe immer auf mein Bauchgefühl gehört."

Das zu tun woran man Freude hat und es anderen zu zeigen, würde sie auch jenen empfehlen, die sie vielleicht als Vorbild sehen: „Vor fünf Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich mal Interior Design machen würde. Aber als ich mein Atelier eingerichtet habe meinten Freunde, ich müsste es herzeigen. Also habe ich es auf die Website gestellt und dann kamen die ersten Anfragen.“ Unter anderem vom Wiener Kult-Restaurant Motto, dessen Innengestaltung nun Lauras Handschrift trägt. 

Hochsensibilität als Superkraft
Bauchgefühl – ein wichtiger Faktor in Lauras Leben. Als „Highly Sensitive Person“ (HSP) hat sie dazu wahrscheinlich einen noch besseren Zugang als andere. Dass sie Reize aller Art besonders intensiv wahrnimmt und verarbeitet, war ihr immer schon bewusst: „Ich habe mich immer wieder gefragt, warum ich Dinge spüren kann die andere nicht spüren. Ich war zum Beispiel einmal eine Woche nicht da und als ich nach Hause gekommen bin, konnte ich riechen, dass mein Mitbewohner einen Hund zu Besuch gehabt hat.“ Als sie The Highly Sensitive Person von Elaine N. Aron liest, muss sie vor Freude weinen. „Mir wurde klar, dass es nicht abartig ist, mehr zu spüren, sondern dass es dafür eine Bezeichnung gibt und dass es 1,7 Millionen Menschen gibt die genauso sind.“ Eine 180 Grad-Wende für Laura. Plötzlich wird etwas, das sie bisher als Anomalität wahrgenommen hat, zu einer Gabe. „Deshalb habe ich meinen TED-Talk auch ‚How to make sensitivity your superpower’ genannt”, sagt sie. Für Laura bedeutet Hochsensibilität im beruflichen Alltag etwa, dass sie mehr Schlaf braucht als andere, dass eine gewisse Routine wichtig ist und dass lange Meetings sie schneller erschöpfen. Aber es bedeutet auch, dass sie schnell ein Gefühl dafür bekommt, was Auftraggeber wollen. „Ich habe festgestellt, dass ich auf tiefergehenden Ebenen auf meine Kunden eingehen kann.“

„Ambition ist etwas, das man sich nicht aussucht“
Hochsensibilität ist etwas, das man entweder hat – oder nicht. So wie Ambition, findet Laura: „Ich glaube, dass das Feuer bei manchen Leuten stärker brennt als bei anderen. Ambition ist etwas, das man sich nicht aussucht.“ Im Gegensatz zu Fleiß sei Ambition auch nichts das mit krampfhafter Anstrengung verbunden ist. Eher etwas, das sich von selbst entfaltet wenn man die richtigen Ventile findet, immer offen ist und Dinge zulässt. Laura sieht sich geleitet von ihrer Ambition, ihrem Feuer – und nimmt Arbeit dadurch nicht als mühsame Pflicht wahr: „Ich werde ab und zu als Workaholic bezeichnet, das klingt wie eine Krankheit. Aber wenn du liebst, was du tust, dann gibt es keine Grenze zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit.“ Natürlich kennt auch sie stressige Phasen, Deadlines und kollidierende Termine. Aber sie hat gelernt, damit umzugehen. Und sie weiß, wie wichtig ihr der Monat Auszeit ist, den sie sich jedes Jahr zu gönnen versucht. Dann lädt sie sich in ihrem Haus in Polen wieder auf – ohne Internet, ohne Handyempfang. Dazwischen bereist die Designerin mit polnischen Wurzeln die Länder und Städte der Welt (New York, Kapstadt, London, Tel Aviv) und berichtet darüber regelmäßig auf Instagram & Co (#karasinskiadventures). 

Bleib dir treu!
Laura zwingt sich nicht in Systeme die sie einschränken. Sie bewirbt sich nicht für Preise oder Awards – die kommen von selber. Sie bewirbt sich auch nicht für Projekte – „If you hesitate between us and another agency, don’t choose us. We don’t do pitches.“ steht in großen Lettern auf ihrer Website. Laura kann die Signale ihres Körpers deuten und hört darauf. „Wenn ich schlecht geschlafen habe, überarbeitet oder überstimuliert von Dingen bin, dann sage ich – wenn möglich – alles ab und versuche, mich und meinen Kopf zu entspannen“, erzählt sie. Sie hat gelernt, ihren eigenen Bedürfnissen Priorität einzuräumen. Im Grunde ein Akt der Selbstliebe: Das zu akzeptieren, was sich gerade zeigt, ohne dagegen anzukämpfen. Sie strebt weder nach Exzellenz noch verfolgt sie den „Done is better than perfect“-Ansatz, denn sie gibt zu jedem Zeitpunkt das für sie Bestmögliche. „Alles, was ich mache, mache ich zu den besten Konditionen, die ich leisten kann. Perfektion ist nur eine Illusion, und einer Illusion will ich nicht nacheifern.“ Illusionen will sie auch nicht verkaufen: „Ich bin eine starke Vertreterin von Ehrlichkeit. Wenn ich das Gefühl habe, nicht mit einem Unternehmen zusammenzupassen, dann sage ich das gleich. Wenn man die große Ehre hat, für jemanden ein Logo oder ein Bild zu machen oder etwas, für das die Person oder das Unternehmen steht, dann ist das etwas Intimes und man muss ehrlich miteinander sein.“

Laura Karasinski wäre wohl die letzte, die eine Erfolgsformel verkaufen würde – ihr Zugang zu Erfolg („Das machen zu können, was man liebt, und davon leben zu können“) ist ein sehr instinktiver, ungeplanter, offener, von großem Grundvertrauen geprägter. In so viel Freiheit passt keine Wenn-Dann-Rechnung, die individuelle Eigenschaften und Erfahrungen nicht berücksichtigt. Würde man allerdings – zur Inspiration für andere – aus ihren zehn Jahren Erfahrung ein paar Anhaltspunkte ableiten wollen, dann vielleicht so:
Erfolg = Folge deiner Ambition + Vertraue deinem Bauchgefühl + Just do it.  

Text: Martha Miklin // Friendship.is
Fotos: Ian Ehm / Friendship.is