Zita Bereuter (c) Thomas Wunderlich

Wo ist draußen?

Als Kind konnte Zita Bereuter nicht ein Mittagessen lang ihren Mund halten – nicht einmal für fünf Schilling. Auch heute spricht die gebürtige Eggerin gern: ob als Moderatorin beim FAQ Bregenzerwald und bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur rund um den Ingeborg-Bachmann-Preis für 3sat in Klagenfurt oder im ORF-Radio für FM4 und Ö1. Thema ist meist die Literatur, die für Bereuter oft den Weg in eine neue Welt darstellt. Das gilt übrigens auch für die Natur – egal ob die Berge in Vorarlberg oder der Botanische Garten in Wien.

Du arbeitest seit mehr als 15 Jahren für ORF-Radios. Wie ist dieser Berufswunsch entstanden?
Ich habe schon immer gerne über Dinge gesprochen, die mich interessieren. Meine Geschwister waren davon oft genervt und haben mir deshalb fünf Schilling geboten, wenn ich ein Mittagessen lang nichts sage. Zahlen mussten sie nie. Als Jugendliche bin ich abends daheim gesessen, habe FM4 gehört und davon geträumt, einmal dort zu arbeiten, aber auch davon, Grafikerin zu sein. Jetzt – Jahre später – bin ich in der glücklichen Situation, dass sich diese Träume erfüllt haben und ich einen Job habe, der mir unendlich viel Freude macht. Es mag etwas komisch klingen, aber ich gehe eigentlich jeden Tag gerne zur Arbeit.

Wolltest du schon als Jugendliche raus aus Vorarlberg?
Ich hatte nicht diesen Drang, einfach weg zu müssen, aber eben diese genannten Träume. Und da war immer klar, dass das in Vorarlberg nicht möglich ist. Und bin daher in Wien gelandet. Über Umwege – ich habe während des Studiums in Manchester und Berlin gelebt, bevor ich nach Wien gekommen bin. In Wien hatte ich dann das Gefühl, hier bleibe ich sicher nicht lange. Ich habe Bilder lieber nur an die Wand gelehnt, anstatt sie an einem Nagel aufzuhängen. Ich glaube, das lag daran, dass ich in Berlin sehr oft umgezogen bin und man sich schnell daran gewöhnt. Aber trotzdem hat mir Wien von Anfang an gefallen und ist für mich immer noch eine Stadt, die eine extrem hohe Lebensqualität bietet. Im Vergleich zum Bregenzerwald fällt es in einer Stadt wie Wien schwerer, einfach einmal hinauszugehen.

Vermisst du das?
Es ist ein völlig anderes Rausgehen. Ich bin auch in Wien oft und viel draußen. Ich habe das Glück, dass sich der Botanische Garten gleich in der Nähe meines Arbeitsplatzes befindet. Da gehe ich gerne hin, wenn ich den Kopf freikriegen will. Ich erledige auch viele meiner Alltagswege zu Fuß oder mit dem Rad. Am Wochenende zieht es mich dann regelmäßig ans Wasser, in den Wald oder auf die Berge. Wien liegt da sehr günstig. Man ist schnell wirklich draußen, also umgeben von Natur, die einen nicht mehr an eine Großstadt denken lässt. Aber die Berge in Vorarlberg lösen natürlich etwas anderes bei mir aus.

Was macht den Unterschied zwischen den Hügeln im Wienerwald und den Bergen in Vorarlberg aus – mal abgesehen von Topografie und Vegetation?
Auf dem Weg heim nach Egg gibt es diese eine Kurve, kurz nach Alberschwende, da öffnet sich der Vorderwald. Wenn ich dort vorbeikomme, ergreift mich meistens ein ganz eigenes Gefühl, das sich schwer beschreiben lässt. Ich verbinde die Berge dort mit persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen und kenne Geschichten, die sich dort zugetragen haben. Ich weiß in etwa, da wohnt der und dort drüben haben die ihr Haus, und kenne viele Orte und Wege.

Stichwort: Geschichten – die Natur ist eine Möglichkeit, aus dem Alltag auszubrechen, für viele Menschen hat auch die Literatur eine solche Funktion. Ist das bei Menschen wie dir, die beruflich sehr viel lesen, auch noch so?
Ich habe mich schon immer in Geschichten und Büchern verlieren können. Als Kind habe ich mir in der Bücherei Egg „Wir Kinder aus Bullerbü“ ausgeborgt und bin in diese Welt vollkommen eingetaucht. Bei uns daheim gab es hauptsächlich Sachbücher, weil mein Vater diese für wichtiger hielt. Ich hatte am Beginn meiner Studienzeit sogar ein schlechtes Gewissen, wenn ich keine Fachliteratur, sondern belletristische Werke gelesen habe. Mittlerweile weiß man, welche wichtige Funktion Belletristik erfüllt, wie wichtig Geschichten sind, um beispielsweise Empathie zu entwickeln. Mit 30 Jahren habe ich mir dann die ganzen Kinderbücher von Astrid Lindgren selbst gekauft. Sie war sicher eine, die mir die Tür zur Literatur geöffnet hat. Monika Helfer hat das auch gemacht, ihre Bücher habe ich mir damals in der Landesbibliothek ausgeliehen. Um dorthin, nach Bregenz, zu kommen, habe ich Auto gestoppt. Mittlerweile sind meine Wege zur Literatur nicht mehr so weit, aber gute Bücher holen mich auch heute noch aus der Realität raus und entführen mich in ihre ganz eigene Welt.

Gute Bücher holen mich auch heute noch aus der Realität raus und entführen mich in ihre ganz eigene Welt.


Ist diese Funktion für dich stark an das Medium Buch gebunden?
Nicht zwingend – manche Menschen schauen sich mehrere Staffeln einer Fernsehserie hintereinander an oder verbringen Stunden in virtuellen Game-Welten. Allerdings kenne ich mich damit nicht so aus und kann deswegen auch nichts dazu sagen. Aber ich habe unlängst die originale Gutenberg-Bibel in einer Ausstellung gesehen, und dieses fast 600 Jahre alte Buch übt schon eine besondere Anziehung aus, ganz ohne Plug-in oder Update. Das Buch funktioniert einfach. Also muss dieses Medium eine spezielle Qualität besitzen, die digitale Medien vielleicht nicht haben.

Text: Harald Triebnig // Friendship.is
Fotos: Thomas Wunderlich, Ian Ehm // Friendship.is